Thurgovia Frauenfeld

 

Vereinsgeschichte der Mittelschulverbindung Thurgovia

Abschrift von Hans Matthey v/o Probus bis 1974

1853Im Jahre 1853 wurde in Frauenfeld die Thurgauische Kantonsschule gegründet. Frauenfeld war damals ein Städtchen von 2500 Einwohnern. Diese wohnten alle in der heutigen Altstadt. Die damalige Kantonsschule (heutige Kantonsbibliothek) war eines der ersten Gebäude ausserhalb der Stadt. Dahinter wurde die alte Turnhalle und, auf dem Areal des neuen Regierungsgebäudes, das Besenschulhaus errichtet. Konvikt gab es noch keines. Die angesehenen Restaurants waren spärlich: nur der Falken und das Kreuz waren von Bedeutung. In ihren Sälen wurde von Zeit zu Zeit Theatervorstellungen gegeben.

Die einzige Festgelegenheit für Kantonsschüler war das alljährliche Stiftungsfest. Am Morgen hielten Dr. Heinrich Mann, der Rektor, und ein Schüler eine Ansprache, während am Nachmittag die Kadettenmanöver abgehalten wurden. Im Jahr 1862 war dieser Schüler Ludwig Forrer aus Islikon. Er absolvierte später ein Rechtsstudium, wurde Polizeileutnant und eröffnete darauf in Winterthur eine Anwaltspraxis. 1875 wurde er demokratischer Nationalrat und 1902 Bundesrat (1903 – 1917). Noch heute haben wir ihn in Erinnerung, wie er 1906 mit dem italienischen König Vittorio Emanuele nach dem Simplon Durchstich in Domodossola im Schlapphut die Ehrengarde abschritt und wie er 1912 als Bundesratspräsident den deutschen Kaiser Wilhelm II. empfing. 1917 trat er zurück und starb 1922.

1862Dieser Ludwig Forrer gründete am 21. November 1862 mit achtzehn Gleichgesinnten in Frauenfeld eine Studentenverbindung, den Redeübungsverein Thurgovia, unter dem Motto „eloquentiae et sodalitatis“, das später in „litteris et amicitiae“ abgeändert wurde. In den Sitzungen wurde damals noch viel mehr als heute grosses Gewicht auf Vorträge gelegt, die mit grossem Pathos und Gestikulationen gehalten werden mussten. Die unvorbereiteten Vorträge kannte man noch nicht. Farben hatte man ebenfalls noch keine. Alle Schüler trugen jedoch die blaue Schülermütze. Der Stamm dauerte jeweils bis zehn Uhr, der Polizeistunde für Kantonsschüler. Ausgang hatte überhaupt nur, wer vom Rektor die Constante Karte erhalten hatte, was vom Gemeindeweibel zu kontrollieren war. Da dieser aber mit sich reden liess, beschloss die Lehrerschaft 1878, selbst in Zweiermannschaften zu kontrollieren. Damals war das Stammlokal das „Espi“, das der Thurgovia bis in die Sechzigerjahre als Kneiplokal diente. Der Stamm wurde aber schon 1876 ins „Kreuz“ verlegt.
1865Schon bald regte sich in der Thurgovia der Wunsch, Kontakt mit anderen Verbindungen aufzunehmen. Man kontaktierte die 1858 gegründete Scaphusia, die eben mit anderen Gymnasialverbindungen einen schweizerischen Gymnasialverein gründen wollte.
1866Diese wurde dann 1866 wirklich ins Leben gerufen. Mitglieder waren die Scaphusia, die Thurgovia, die Vitodurania, die Bernensia und die Gymnasialvereine von Pruntrut, Aarau und Zürich. Die Thurgovia passte ihre Statuten dem Gymnasialverein an, es wurde beschlossen Farben zu tragen (blau-weiss-blau mit weisser Mütze) und es wurden Schärpen und acht deutsche Commersbücher angeschafft. Neu wurde das Amt des Cantusmagisters geschaffen. Für Kartelltreffen musste jeder die Erlaubnis des Rektorats und der Eltern einholen. Man bestimmte auch Korrespondenten, die den Kartellverbindungen regelmässig zu schreiben hatten.
1868Im Jahre 1868 entstand der Thurgovia Konkurrenz, indem in diesem Jahr der K.T.V. Concordia gegründet wurde.
1869Das gestrenge Auge des Konvents missbilligt das Treiben der Thurgovia und beschliesst, sowohl Kartell als ach den Comment zu verbieten und die Thurgovianer nur in einem Lokal verkehren zu lassen, das vom Konvent bewilligt wurde.
1870Der hochwohllöbliche Lehrerkonvent verbietet die Thurgovia wegen folgender Gründe:
Der Verein legt Comment nicht ab und benutzte das übermässige Trinken als Disziplinarmittel
Er gab das Kartell zum Zwecke von Trinkgelagen nicht auf, ja, erregte bei einer Zusammenkunft in Winterthur durch die Virtuosität in dieser Richtung Erstaunen
Nur ein Minimum der Ausgaben wurde für Bildungszwecke verwendet, was sich mit Stipendien nicht verträgt
Eine Präsidialrede des letzten Semesters predigte eigentliche Feindschaft zwischen Verein und Schule
Überhaupt ist an die Stelle idealen Richtung ein übler Geist getreten Die Thurgovia vollzog diesen Beschluss des Konvents mit dem Kantus „Wir hatten gebaut ein stattliches Haus“, Daniel August von Binzer zur Auflösung der Jenaer Burschenschaft 1819 gedichtet hatte.
1874Im Jahre 1874 wurde vom Konvent die Neugründung der Thurgovia erlaubt. Dies vollzog der nachmalige Dr. Hans Brunner aus Diessenhofen. Allerdings bestand das Kartellverbot weiter und die Thurgovia musste ihre Farben wechseln. Die neuen Farben waren die des Kantons Thurgau grün-weiss-grün. Die Mütze blieb weiterhin weiss, aber mit anderem Unterband. 1903 wollten zwar einige Thurgovianer grüne Mützen einführen, was aber vom A.C. abgelehnt wurde. Die Farben wurden damals auch von den Inaktiven bis zur Matur getragen.

Man zog nun in den Schweizerhof als Stammwirtschaft, 1878 wechselte man in den Gambrinus und 1883 vom Sternen ins Schwert

1882Im Jahre 1882 wollte man wieder einmal ein wenig Kontakt mit anderen Verbindungen pflegen und gründete das Kartell mit der Humanitas in Zürich, was nachträglich vom Konvent bewilligt wurde. Dieses hielt bis 1899.
1883Wahl des AH Adolf Deucher zum Bundesrat (1883 – 1912)
1884Wieder einmal habe „ein frecher, anmassender Geist geherrscht“, und so verbot im Jahre 1884 der Konvent den Thurgovianern und Concordianern den zweiten Akt und das Mützentragen, das nur noch an den Sitzungen erlaubt war. Sogar die Bierzipfel mussten unter der Jacke getragen werden. Nur noch Sechst- und Siebtklässler durften Vereinsmitglieder sein.
1887Im Jahre 1887 wurde der Thurgovia sogar mit Suspension gedroht, aber im Herbst wurde das fünfundzwanzigjährige Jubiläum im besten Einvernehmen gefeiert.
1890Im Jahre 1890 wurde der Altherrenverband gegründet, welcher gleich einen Bücherschrank stiftete und der Aktivitas bald darauf zu einem Kneipklavier verhalf. Man wechselte auch wieder die Stammwirtschaft und zog 1894 in den Sternen und dann zum zweiten Mal in den Schweizerhof und von dort 1903 in die Murgbrücke.
1901Im Jahre 1901 schritt der Lehrerkonvent gegen das Vereinsleben mit einem erneuten Kartellverbot (nachdem das Kartell mit der Humanitas 1899 aufgehoben wurde) und einem Verbot der Quartalskneipen ein.

In diese Jahren wurden auch die Bierfamilien gegründet:
1897KrainichHeinrich Hartmann v/o Kranich1896/97
1901FlottPaul Altweg v/o Flott1900/01
1903StorchHans Altweg v/o Stroch1902/03
1904ParisPaul Amstein v/o Paris1901/02
1905SpatzBartholomäus Hofmänner v/o Spatz1904/05
1915LargoMartin Hürlimann v/o Largo1914/15
1943CaesarKurt Näf v/o Caesar1942/43
Paris wurde seit 1965 (Lepus Angele - ausgetreten) nicht mehr weitergeführt.

1911Da das alte Kantonsschulhaus zu klein wurde, baute man im Jahre 1911 über der Stadt das neue Gebäude, das heute noch benutzt wird. Zur Eröffnung spielten die Thurgovianer das Vorspiel zu Hebbels „Nibelungen“.
1912Der damalige Rektor, „Sürmel“ Leumann, verhängte 1912 über die Thurgovia und Concordia das Ultimatum, weil sie eine Waldkneipe ohne Erlaubnis abgehalten hatten. Die Fünfzigjahrfeier wurde dann aber im Herbst in gutem Einvernehmen gefeiert. Alfons Meier v/o Mutz verfasste zu diesem Anlass eine Festschrift und der Präsident der Aktivitas, Karl Tuchschmid v/o Schnegg, dichtete zu der Meldodie des Liedes „Heisst ein Haus zum Schweizerdegen“ unseren Farbenkantus.

In diesem Jahr wurde den beiden Verbindungen das Mützentragen wieder erlaubt. Wer aber provisorisch befördert wurde oder im Betragen nicht die Note „gut“ erhielt, musste sein Couleur wieder mit der bis 1933 obligatorischen blauen Schülermütze vertauschen.

1913Im Jahre 1913 wechselte man wieder einmal die Stammbeiz. Der damalige Aktuar vermerkte dazu: „ Auf Grund der Erkundigungen, die wir betreff des schlechten Charakters unserer Wirtsfrau einzogen, fanden wir im heutigen A.C., es dem Verein zu schulden, das bisherige Lokal in der Murgbrücke zu künden. Einen hinlänglichen Ersatz fanden wir im Habiek.“ Von dort zog man ins Pfeffer, dann in die Bierhalle, bis 1925 der Stamm zu Frau Studerus ins Scharfe Eck verlegt wurde.
1919Nach den langen Jahren des Alleinseins wollte man wieder ein wenig Kontakt mit den Nachbarverbindungen pflegen und gründete das Viererkartell zwischen Scaphusia, Thurgovia, Vitodurania und Rhetorika. Dieses hielt von 1919 bis 1926.
1920Im Jahre 1920 focht man mit der Concordia einen Riesenstreit aus. Zwei Individuen haben zuerst der Concordia ihre Mitgliedschaft zu gesagt aber sich dann doch für die Thurgovia entschieden. Der Streit konnte mit Hilfe der AH-Verbände begelegt werden.
Wahl des Altherren der Thurgovia Heinz (Heinrich) Häberlin v/o Cato zum Bundesrat (1920 – 1934).
1923Die Humanitas aus Zürich streckte wieder einmal die Fühler nach Frauenfeld aus und das Kartell mit ihr wurde 1923 erneuert. Da die Humanitas aus einem Redeverein aber zu einem Ruderverein geworden war, hielt dieses Kartell nur wenige Jahre.
1933Da auch Altherren offenbar manchmal die Kehle netzen, gründeten sie 1939 den wöchentlichen Altherrenabendschoppen, der dann während des Krieges leider wieder einging. Bestand hatte aber der Reisefonds, der1938 durch den Altherrenverband gegründet wurde.
1935Da die Thurgovia wieder einmal ohne Kartellfreunde war, gründete sie 1935 das Kartell mit der Argovia. Dieses hielt bis 1949.
1937Im Jahre 1937 wurde in einer schönen Feier der fünfundsiebzigste Jahrestag festlich begangen.
1943Der damalige Altherren-Aktuar, Dr. Ernst Naegeli v/o Zahm, gab zum Jahreskommers 1943 zum ersten Mal das Jahresheft der Thurgovia heraus, das er bis 1975 betreute.
1946Da die Nachbarverbindungen Scaphusia, Vitodurania und Rhetorika offenbar geeignetere Kartellbrüder waren als die Argovianer, wurde das Kartell von 1935 aufgehoben und das noch heute bestehende Kartell gegründet.

In diesem Jahr kam es wieder einmal zu einem Streit mit dem Lehrerkonvent. Der Rektor berief, um die Leute vor dem Trinken zu warnen, eine Versammlung für Eltern, Lehrer und Schüler ein. Der Gastreferent, der damalige Leiter der Irrenanstalt Münsterlingen, meinte aber in seinem Referat, jeder können unbeschadet bis zu zehn Liter Bier trinken. Auch noch einige weitere Frauenfelder Honoratioren, natürlich alles Alte Herren der Thurgovia und Concordia, meldeten sich zu Wort, worauf die Versammlung sehr zum Missfallen des Rektors mit einem brausenden „Gaudeamus“ geschlossen wurde.

1948Da die Thurgovianer auch in den Ferien eine Gelegenheit zu unbeschwertem Zusammensein wünschten, wurde 1948 der Hagenwyler von der damaligen Altivitas ins Leben gerufen, der später aber jeweils kurz nach den Ferien abgehalten wurde.
1949Im Jahre 1949 erhielt der Thurgovianer Altherr Walther R. Hess v/o Büsi den Nobelpreis für Medizin zugesprochen.
1951Das Rektorat beschliesst 1951, den Eintritt in die Verbindungen erst im zweiten Quartal der fünften Klasse zu gestatten. Dieser Beschluss wurde aber, nachdem der Altherrenverband unter dem damaligen Präsidenten Kurt Nufer v/o Tango Einspruch erhoben hatte, wieder aufgehoben.

Das in den Fünfzigerjahren gegründete Forum, die sogenannte Sirupitas, konnte der Thurgovia auch keine grossen Bauchschmerzen verursachen und ging anfangs der Sechzigerjahre wieder ein.

1953Im Jahre 1953 feierte die Kantonsschule gleich zwei Jubiläen mit je einem Riesenfest: Das Hundertfünfzigjahrjubiläum des Kantons Thurgau und das Hundertjährige der Kantonsschule.
1962Am 26. August, einem Freitag, ging der erste Teil eines der grössten Fester, die Frauenfeld jemals gesehen hatte, über die Bühne. Die Thurgovia feierte ihr Hundertjahrjubiläum. Am Freitag ging es mit einem Stamm los, am Samstag war der offizielle Festakt im Rathaus und im Casino, Sonntag Frühschoppen auf der Schlosswiese, dann Katerbummel nach dem Schloss Sonnenberg, Montag Katerbummel nach Hagenwyl. Prophet und einige weitere Unentwegte bummelten weiter Kater bis am nächsten Freitag.

Zu diesem Anlass wurde der Thurgovia von den Altherrenverbänden der Kartellverbindungen eine neue Vereinsfahne geschenkt, während unser Altherrenverband die im Jahre 1938 gegründete Reisekasse grosszügig aufstockte. Gleichzeitig wurde auf diesen Anlass von Dr. Ernst Naegeli v/o Zahm eine Festschrift verfasst.

1973Neben dem jährlich erscheinenden Jahresheft gibt der Altherren-Aktuar Niklaus Spengler v/o Korsar zum ersten Mal die von nun an regelmässig erscheinenden Thurgovia Nachrichten heraus.
1974Nach einer kurzen quantitativen Krise in der Thurgovia, hat sich der Bestand der Aktivitas wieder verdoppelt.

Am Grosskartelltag in Hohenklingen wird die Rhetorika von der Scaphusia, der Thurgovia und der Vitodurania aus dem Kartell ausgeschlossen und das Dreierkartell mit neuen Statuten versehen.

1979Die Rhetorika wird am 6. Mai in Seuzach gemäss Statuten wieder ins Kartell Aufgenommen und das Kartell gibt sich neue Kartellstatuten.
1987125 Jahr Jubiläum der Thurgovia
1993Zwischen Sternwartenstrasse und Ringstrasse wird der Neubau der Kantonsschule Frauenfeld eingeweiht. Einge Jahre später werden die Baracken Provisorien B10 bis B14 abgebrochen und der Park um die Villa in seinen ursprünglichen Zustand gebracht.
2003Jubiläen 150 Jahre Kanti und 200 Jahre Kanton Thurgau
2011Hundertjahrjubiläum altes Kantonsschulgebäude.
2012150 Jahr Jubiläum der Thurgovia. Mit Dieter Bachmann v/o Robur und Walter Hugentobler v/o Skady konnte die Thurgovia hervorragende Organisatoren für diesen Anlass gewinnen. Die Mehrtägige Veranstaltung mit Eintrunk am Freitag, Festakt am Samstag auf der Konvikt- / Obergerichtswiese und im Rathaus mit Vertretern aus Politik und Bildung und dem Festkommers in der Thurnhalle des Konvikts, dem Bummel nach Lustdorf am Sonntag und dem Katerbummel nach Hagenwyl am Montag, war ein Erfolg. Ein paar wenige haben sich dann am Dienstag mit ein paar weiteren Bieren auf die Zeit nach dem grossen Fest vorbereitet.